Das Büro durchlebt einen grundlegenden Wandel. Es erhält neue Funktionen und steht vor neuen Herausforderungen. Das Beratungs- und Planungsstudio loop aktiviert Orte und entfesselt deren Potenzial. In seiner fünften Kolumne geht es darum, ob die Zentrale heute noch wichtig ist. Von Veit Knickenberg.
Nie war die Frage der Notwendigkeit eines Headquarters umstrittener als heute. Großmaßstäbliche Architektur inmitten der Innenstädte oder der große Campus am Rand der Stadt. Sichtbarkeit erzeugen und die Belegschaft an einem Ort bündeln. Ist das noch zeitgemäß?
Ein Headquarter war lange Zeit der Ort, an dem die Köpfe eines Unternehmens zusammenkamen. Ein erfolgreiches und kundennahes Unternehmen sollte visibel sein. Expressive Gebäude, gestaltet durch prominente Architekturbüros. Es entstanden besonders zu Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs zahlreiche beeindruckende Bauten mit heute ebenso beeindruckenden Sanierungsbedarfen. Drittverwendungsfähigkeit war kaum eine Planungsanforderung an die Architekten. Damals waren strenge Hierarchien sowohl in der Kommunikation als auch im Umgang und bei der Büroraumgröße erlebbar. Raum war ein Ausdruck von Macht, Hierarchie und Status. Die „Teppichetage“ und das „Eckbüro“ sind Synonyme dieser Zeit. Eine Zeit, in der Anwesenheit ein Bewertungskriterium war. Aber auch eine Zeit, in der der „Flurfunk“ den gleichen Informations- und Unterhaltungsstellenwert hatte wie eine Tageszeitung.
Doch die Welt ist heute eine andere. Wir kommunizieren in erster Linie digital, haben unser Bewusstsein für Nachhaltigkeit geschärft, legen mehr Wert auf zeitlichen Ausgleich und vermeiden unnötige Fahrzeiten. Da aktuell viele Menschen das Homeoffice dem Büro vorziehen, sinkt bei den CEOs in Deutschland die Bereitschaft, kostspielige Gebäude zu bauen oder zu betreiben. Denn die Aufwände, die vor der großen Mobile-Office-Revolution betrieben wurden, waren ehrlicherweise unverhältnismäßig. Höher, weiter und schneller war die Devise. All das lohnt sich nicht zu betreiben, wenn die durchschnittliche Anwesenheit bei 40 Prozent liegt. Ganz zu schweigen von den laufenden Mietkosten für ungenutzte Arbeitsplätze.
Es kommt zunehmend der Wunsch auf, das räumliche Angebot zu überdenken. Es stellen sich spannende neue Fragen. Was will ich als Unternehmen eigentlich? Möchte ich, dass alle Menschen gleichzeitig vor Ort sind? Wenn ja, warum? Muss das sein? Geht es um Gemeinschaft oder Repräsentanz, um Kontrolle oder analoge Kommunikation? In den häufigsten Fällen führt bereits die erste Frage nach dem Warum zu einer erschreckenden Reflexion und deckt einen verborgenen Kontrollwunsch auf.
Am Ende sollte es aus unserer Sicht klar um eine erfüllte Zusammenarbeit gehen. Der Mensch möchte zufrieden und glücklich sein, mit dem, was er tut. Ein produktiver Arbeitstag sollte begeistern und einen Mehrwert bieten. Das ist es, was wir als Führungskräfte versuchen sollten, zu ermöglichen. Wenn wir unsere Mitarbeitenden nur mit Amenitys und Benefits bei Laune halten können, haben wir ein ganz anderes Problem, das es zu lösen gilt.
Wir sollten also Menschen die Wahlfreiheit geben, dort zu sein, zu denken und kreativ zu sein, wo sie meinen, das am besten zu können. Das Büro sollte sich auch zukünftig als ein sicherer Hafen etablieren, an dem gute und funktionale Räume zu finden sind, die inspirieren und begeistern sowie die Marke und die Unternehmenskultur erlebbar machen.
Das birgt Potenzial. In dieser Freiheit stecken Eigenverantwortung, neue Führungsmethoden, Zeitersparnisse, die Reduzierung des Individualverkehrs, Mietersparnisse, eine Verbesserung des ökologischen Footprints, ja sogar die Intensivierung der Kultur und des Miteinanders.
Die Frage nach der Notwendigkeit eines Headquarters ist komplex und führt zwangsläufig zu einer Reflexion. Interessant ist, dass die Frage nicht direkt mit Architektur und Innenarchitektur beantwortet werden kann. Es besteht ein Spannungsfeld aus Arbeitsweisen, ESG-Konformität, Digitalisierung, Kultur und Architektur. Es sind individuelle Strategien notwendig, die zahlreichen Facetten zusammenzubringen und in Standort-, Kultur- und Gebäudelösungen zu überführen. Seien es HQs, Satelliten, Büro-Ökosysteme, Cultural-Hubs, Coworking Spaces oder andere Lösungen.
Das Wichtigste dabei ist der Wille und die Akzeptanz zur Veränderung. Denn langfristig erfolgreich sind diejenigen, die sich den Veränderungen ihrer Umwelt anpassen.