Vor den Toren Münchens entsteht das Immobilienprojekt heads der Rock Capital Group. Die Innenarchitektur und das Design im mehr als 40.000 m2 großen Neubau stammen von der Ippolito Fleitz Group (IFG). Ein Gespräch mit Architekt Gunter Fleitz über New Work, Natur und Lagerfeuer-Atmosphäre.
OFFICE ROXX: Welchen Einfluss hat die Gestaltung von Büroflächen auf das Wohlbefinden?
Gunter Fleitz: Je wohler sich Mitarbeitende fühlen, desto besser arbeiten sie. Früher war die Devise bei der Gestaltung von Bürogebäuden oft, Hauptsache Corporate Design, da wurden Wände einfach in Unternehmensfarben gestrichen. Nur sorgt das nicht für eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Mittlerweile erkennen immer mehr Unternehmen, dass der Mensch im Mittelpunkt stehen muss. Man muss Räume schaffen, in denen gut und gerne gearbeitet werden kann. Denn was gut für Mitarbeitende ist, ist auch gut fürs Unternehmen.
Wie gelingt es, dass sich Mitarbeitende wohlfühlen?
Das Büro muss ein Ort sein, der begeistert. Die Mitarbeitenden sollen stolz auf ihr Arbeitsumfeld sein, dann verbringen sie auch gern Zeit dort. Stellen wir uns das Büro als eine Heimat vor, als einen Sehnsuchtsort, aber auch als einen Ort mit Reibungsfläche. Unternehmen muss es gelingen, einen solchen Ort der Begehrlichkeit zu schaffen. Das wird nach der Pandemie angesichts des weitverbreiteten Homeoffice wichtiger denn je. Das Motto von Rock Capital bei der Konzeption des Gebäudes während der Corona-Krise hieß in etwa: Wenn Mitarbeitende in Zeiten des Homeoffice nicht mehr ins Büro müssen, müssen sie ins Büro wollen.
Welche Rolle spielt die Gestaltung von Räumen?
Verhaltensweisen werden von räumlichen Anstößen geprägt. Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn es einen attraktiven informellen Treffpunkt gibt – eine Lounge, einen Stehtisch –, an dem ich immer wieder vorbeilaufe, dann werde ich automatisch öfter dort stehenbleiben und mit Kollegen ins Gespräch kommen. Allein, dass ein solcher Ort vorhanden ist, beeinflusst also mein Verhalten. Dieser Austausch ist aber bei Weitem kein Privatvergnügen. Das informelle Zusammenkommen führt zu schnelleren Entscheidungen und dazu, dass Mitarbeitende aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen ins Gespräch kommen. Orte, an denen man unkompliziert kommunizieren kann, tragen also zu einer schnelleren und ganzheitlichen Entscheidungsfindung bei. Diese Haltung zeigt sich auch bei der Gestaltung des Neubaus heads von Rock Capital. Dort gibt es Atrien, in denen man sich zum Austausch treffen kann, sowie viele Flächen, die nicht allein Schreibtischen gewidmet sind. Das Büro der Zukunft hat die Bedeutung eines Lagerfeuers. Es ist der Ort, wo Menschen zusammenkommen.
Wie sollten Büros gestaltet werden? Brauchen wir mehr Stehtische oder informelle Orte?
Büros von morgen sollten entlang der Bedürfnisse der Mitarbeitenden konzipiert sein. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen an einem Laufweg, an dem immer wieder Kollegen vorbeikommen. Keiner fühlt sich wohl, wenn man nicht weiß, wer hinter einem vorbeigeht und wer auf den Monitor schaut. Selbst wenn man da nur für eine Stunde sitzt. Das ist das Gegenteil von Geborgenheit. Mitarbeitende sollten das Gefühl haben, dass der Raum für den jeweiligen Moment ganz ihnen gehört. Dafür braucht es Schutz und Identifikation. Aneignung – also der Aufbau einer Beziehung zu Dingen oder einer Umgebung – ist ganz wesentlich, besonders in Zeiten allgemeiner Verunsicherung, wie wir sie gerade erleben.
Die Auflösung fester Arbeitsplätze, also das non-territoriale Arbeiten, ist gerade in aller Munde. Ist in solchen Arbeitswelten Sicherheit und Geborgenheit überhaupt möglich?
Mitarbeitende dürfen nicht das Gefühl haben, dass sie austauschbar sind, dass ihr Platz im Unternehmen sinnbildlich von jedem ausgefüllt werden kann. Sie müssen sich überall wertgeschätzt und beheimatet fühlen, das hilft dem Wohlbefinden und dem Aktivitätslevel. Beim non-territorialen Arbeiten darf nie die Effizienz im Vordergrund stehen, sondern das Bedürfnis der Mitarbeitenden.
Fließt das Thema Gesundheit bei Ihrer Arbeit direkt in die Gestaltung ein oder ist Gesundheit am Arbeitsplatz eher ein Nebenprodukt?
Gesundheit ist ein ganz wichtiges Element für viele unserer Kunden wie heads. Das große Thema, das darübersteht, ist jedoch die Weiterentwicklung der Work-Life-Balance. Das verändert sich gerade elementar. Wir arbeiten nicht mehr nur im Büro, sondern auch zu Hause. Work und Life vermischen sich. Es braucht ein gesundes Umfeld – nicht nur im Headquarter oder in dezentralen Hubs oder zu Hause, sondern insgesamt. Ein Unternehmen ist dann erfolgreich, wenn es die Mitarbeitergesundheit an verschiedenen Orten erhält. Ohne zu differenzieren zwischen Arbeiten und Leben. Gestalter sind verantwortlich, einen Beitrag dafür zu leisten, dass Mitarbeitende gesund sind.
Wie kann das konkret aussehen?
Es geht etwa um die Frage, ob ich während der Mittagspause den Lebensmitteleinkauf gut und ohne Stress erledigen kann. Im heads gibt es dafür ganz praktisch per App buchbare Kühlboxen im Foyer. Oder nehmen Sie den Aufwand, den Eltern haben, ihre Kinder am Morgen am anderen Ende der Stadt in den Kindergarten zu bringen. Im heads gibt es deswegen eine hauseigene Kita. Auch Fitness ist ein Thema. Wer sein Sportprogramm unkompliziert in der Nähe des Arbeitsplatzes in den Tagesablauf integrieren kann, bleibt eher in Bewegung. Mit dem richtigen Bürogebäude werden Gesundheit und Wohlbefinden mit dem Job vereint. Das reicht bis hin zu Duschen, damit Mitarbeitende öfter mit dem Rad kommen.
Wie kann es Unternehmen und Architekten darüber hinaus noch gelingen, gesündere Arbeitsplätze zu schaffen?
Das Material und die Frage nach dessen Herkunft und Lebenszyklus, also das Sourcing, sind wichtige Bausteine. Ob Haptik oder Hygiene, Material muss leicht zu reinigen sein. Die Materialauswahl wird immer wichtiger und muss nachhaltigen und bauökologischen Ansprüchen gerecht werden.
Laut Studien leiden 30 Prozent unter Materialien in Büros, die sie krank machen. Ist das Vergangenheit oder wird immer noch viel verbaut, was da nicht hingehört?
Wenn wir neue Kunden besuchen, sehen wir manchmal große Unternehmen mit Einrichtungen aus den 1960er-Jahren, Bürogebäude mit langen Gängen und Bürozellen, grauen Aktenordnern, verschanzten Mitarbeitenden. Keine Begegnung, kein Austausch. Vereinzelung. So etwas macht krank. Das hängt also nicht nur vom Material ab.
Was macht einen Arbeitsplatz neben Abwechslung noch gesünder?
Unbedingt die Raumakustik, also die Nachhallzeiten und damit die Sprachverständlichkeit. Das muss an die Raumgröße und die Anzahl der Mitarbeitenden angepasst werden – eine große Herausforderung, gerade wenn die Büros wie seit der Pandemie unterschiedlich voll sind. Akustik ist entscheidend für das Wohlbefinden. Ich möchte nicht, dass jedes Wort von mir im ganzen Büro zu hören ist.
Sie beschäftigen sich neben der Akustik viel mit Licht.
Wichtig ist, dass nicht ein Lichtsee die Mitarbeitenden den ganzen Tag gleichmäßig bescheint. Besser sind individuelle Lichtszenen, bei denen der Mitarbeitenden das passende Licht nach Stimmung wählen kann. Das reicht bis hin zum Human Centric Lighting. Bei einem tiefen Raum wird dann der Tageslichtverlauf nachempfunden. Auch mit künstlichem Licht können Mitarbeitende natürlicher arbeiten. Bei einigen Projekten haben wir Lichtduschen eingebaut. Gerade an trüben Wintertagen können die Mitarbeitenden dort Licht tanken – und mehr Energie bekommen.
Es braucht einen Mix aus gelungener Beleuchtung und einem schlüssigen Materialkonzept und Raumakustik. Das macht in Summe Wohlfühlen und Gesundheit aus?
Es ist nie die Konsequenz aus nur einem Faktor. Zudem ist Gesundheit bei Gebäuden eine individuelle Frage, da jedes Objekt anders ist und andere Voraussetzungen mitbringt. Was an Fahrt gewonnen hat, ist das Thema Raumklima. Durch die nachhaltigen Konzepte ist es heute nicht mehr die Klimaanlage, die zu extrem eingestellt wird und Mitarbeitende krank macht. Gemeint sind gute Raumkonzepte mit gutem Luftwechsel. Rock Capital verfolgt beim heads mit dem Immune Office einen völlig neuen, sehr interessanten Ansatz. Dort wurden erstmals in großem Stil Anlagen für Lüftungstechnik verbaut, wie man sie in Krankenhäusern findet. Die Luft wird dadurch noch reiner, die Übertragung von Krankheiten durch Aerosole minimiert. Gerade in Besprechungsräumen wird dieses Thema in einigen Jahren Standard sein. Wichtig ist zudem die Luftfeuchte. Wir hatten ein Projekt, bei dem die Mitarbeitende viele Atemwegsinfekte hatten, weil die Raumluft zu trocken war. Dort haben wir 3.000 Pflanzen untergebracht, damit ist die Luftfeuchte von knapp 20 Prozent auf 50 Prozent gestiegen – ohne etwas an der Haustechnik zu verändern. Die Krankheitsrate hat sich um die Hälfte reduziert. Das Stichwort lautet Biophilic Design: Die Menschen tanken Energie über die Pflanzen und das tut ihnen gut.