In ihrem neuen Buch „Joy at Work“ erklärt die Aufräumexpertin Marie Kondo, wie wir Ordnung ins Büro bringen und so effizienter und glücklicher werden. Paul Svihalek hat es gelesen. Seitdem bedankt er sich oft.
Kürzlich wurde mir erneut bewusst, welch schöne Sache die Clean-Desk-Policy in unserem Verlag ist. Zurück aus dem Urlaub blickte ich auf meinen (fast) leeren Schreibtisch und empfand ein Gefühl der Klarheit und des Aufbruchs. Kurz darauf trübte sich mein Gemüt jedoch, denn ich öffnete die Schubladen meines Rollcontainers: Zeit, aufzuräumen. Durch das Ordnen all der verdrängten Inhalte gewann ich das Gefühl zurück, Herr am eigenen Schreibtisch zu sein. Doch es war auch diesmal nur von kurzer Dauer, denn dann öffnete ich mein E-Mail-Postfach.
Ausweitung der Aufräumzone
Die japanische Aufräumberaterin Marie Kondo ist sich sicher: Um echte Freude bei der Arbeit zu empfinden, müssen wir all ihre Facetten ordnen. Neben den physischen Dingen also auch digitale Daten, E-Mails, To-dos, Netzwerke und sogar Meetings. Mit der KonMari-Methode brachte sie in den letzten Jahren Millionen Menschen dazu, sich mit der Unordnung in den eigenen vier Wänden auseinanderzusetzen. Ihr neues Buch „Joy at Work“ weitet die Aufräumzone nun auf das Büro aus. Zusammen mit dem Organisationspsychologen Scott Sonenshein erklärt sie, wie wir unseren materiellen und immateriellen Arbeitsplatz entrümpeln können.
Let’s get physical
Zunächst zum physischen Bereich: Kondo behält ihre bewährte Methode bei. Auch im Büro wird nach Kategorien aufgeräumt – schnell, vollständig und in einem Rutsch. Beim Aussortieren im Office gilt die gleiche Frage wie zu Hause: „Bereitet mir dieser Gegenstand Freude?“ Im Büro darf sie jedoch ersetzt werden durch: „Verhilft dieser Gegenstand der Firma zum Erfolg?“
Kondos Umgang mit physischen Dingen ist zuweilen recht gefühlsbetont. Etwa wenn sie rät, sich bei den einzelnen Gegenständen für deren gute Dienste zu bedanken. Ihr Ansatz ist nicht revolutionär, aber inspirierend. Zumindest für mich: Heute hielt ich einen Kugelschreiber von fraglicher Ästhetik in der Hand – keine Freude, kein Nutzen für die Firma, ab in den Müll. Anschließend bedankte ich mich bei den schöneren Schreibgeräten. Schaden kann’s nicht. Weil die materielle Welt meist nur noch einen Bruchteil des Arbeitsplatzes darstellt, kommt die wirkliche Hilfe in diesem Buch aber nicht von Kondo, sondern von Sonenshein. Er stellt sich dem digitalen Unbehagen und bietet einen beachtenswerten Ansatz.
Let’s get digital
Sonenshein plädiert dafür, jede einzelne Datei auf der Festplatte zu sichten und sich zu fragen, ob man diese wirklich benötigt – jetzt oder in Zukunft. Ist dies nicht der Fall: löschen! Für die restlichen Dateien setzt er auf eine simple Struktur von nur drei Hauptordnern. Trotz fortgeschrittener Suchtechnik fördere dieses Vorgehen die Effizienz: schnelleres Ablegen, schnelleres Auffinden und klare Übersicht. Bei E-Mails geht er parallel vor. Nur bei gutem Grund wird eine Mail aufbewahrt. Und dann in einem von zehn Ordnern, einschließlich Unterordnern. Eintreffende Mails sollten täglich nur in einem festen Zeitfenster bearbeitet werden. So verwechselt man sie nicht mit der eigentlichen Arbeit.
Der digitale Minimalismus Sonensheins ist rigoros, aber berechtigt. Zwar sind seine Ratschläge aufgrund berufsspezifischer Notwendigkeiten und unternehmenseigener Vorgaben für die meisten nur zu einem gewissen Grad umsetzbar. Doch eines steht fest: Nahezu unbegrenzter Speicherplatz auf Festplatten, E-Mail-Servern und in der Cloud hat dazu geführt, dass viele Office-Worker die Kontrolle über etwas verloren haben, das die Arbeit eigentlich erleichtern sollte. In unserer Redaktion wäre es allerdings fatal, sich nur einmal am Tag dem Posteingang zu widmen. Ich werde mich nach der Lektüre jedoch bemühen, mit weniger Ordnern auszukommen und löschfreudiger zu werden. Übrigens: Marie Kondo erinnert daran, sich vor dem Löschen auch bei den digitalen Dateien zu bedanken. Mal schauen.