Was bedeutet Leadership in unseren Zeiten? Was ist gute Führung? Das weiß New-Work-Experte André Hund. In seiner Kolumne buchstabiert er das Wort „Leader“ durch. Teil fünf thematisiert noch einmal das E. Diesmal steht es für Exzellenz.

André Hund ist Wirtschaftsjurist und kennt die Büromöbelbranche aus dem Effeff. In seiner Kolumne thematisiert der New Work Facilitator bei der work different Training & Consulting GmbH Leadership-Themen vor dem Hintergrund des neuen Arbeitens.
Der Begriff „Exzellenz“ strahlt und glänzt, in Reden oder auf Hochglanzfolien. Er steht für den Anspruch, nicht nur gut zu sein, sondern herausragend, überdurchschnittlich. Und trotzdem einer, der im Alltag gern zwischen Zeitdruck, Budgetgrenzen und pragmatischen Kompromissen zerrieben wird – und einer Neudefinition bedarf.
Was heißt Exzellenz heute für Führung wirklich – jenseits von Marketingclaims und Imagebroschüren? In diesen Zeiten fortschreitender, sich beschleunigender Veränderungen kommt deutsche Ingenieursexzellenz unter Druck.
Es besteht eine Analogie zum Jazz. Dieser lebt von Improvisation und Spontaneität. Ein Jazz-Solo entsteht nicht einfach so im luftleeren Raum, sondern ist eingebettet in das, was die Band gerade spielt. Jazz ist experimentell. Fehler sind Teil des Prozesses, Kreativität und Mut sind gefragt innerhalb eines gemeinsamen Rahmens.
Verdeutlichen lässt sich dies am besten am größten aller Jazz-Musiker: Duke Ellington. Ellington war ein visionärer Bandleader. Er führte sein Orchester über ein halbes Jahrhundert. Er verstand es, die individuellen Stärken seiner Musiker freizulegen. Jeder Musiker bekam Raum für seine Klangfarbe. Er verband Jazz, Klassik, Blues und Gospel zu einer eigenen Klangsprache, erhob den Jazz von Tanzmusik zu einer einzigartigen Kunstform. Er experimentierte ständig: mit neuen Harmonien, orchestralen Farben, ungewöhnlichen Arrangements. Gleichzeitig blieb seine Musik zeitlos elegant – und (wieder)erkennbar. Ellington war kein autoritärer Chef, sondern inspirierte durch Kreativität, Charme und Respekt. Leadership war für ihn: Rahmen geben, motivieren, wachsen lassen.
Exzellenz ist im heutigen Führungskontext nicht gleichzusetzen mit Perfektion. Diese ist eher starr, fehlerlos, unbeweglich. In dynamischen Umfeldern ist sie oft sogar hinderlich, weil sie Veränderungen verzögert. Sie ist dennoch unverzichtbar, keine Frage. Aber Exzellenz ist lebendig. Sie ist weniger ein Endzustand als eine Haltung: der kontinuierliche Anspruch, besser zu werden – wissend, dass es immer Luft nach oben gibt.
Exzellenz entsteht nicht aus Fehlerfreiheit, sondern aus Lernbereitschaft und der Fähigkeit, aus Rückschlägen Erkenntnisse zu ziehen. Psychologische Sicherheit im Arbeitsumfeld ist dafür unerlässlich.
Für Führungskräfte bedeutet Exzellenz aber zunächst einmal eine Selbstverpflichtung. Es reicht nicht, hohe Standards an andere zu stellen – man muss sie auch selbst leben. Das beginnt bei Kleinigkeiten: der Gründlichkeit der Entscheidungsvorbereitung; der Konsequenz, mit der Zusagen eingehalten werden; der Bereitschaft, das eigene Handeln zu hinterfragen.
Und um gleich einem Missverständnis vorzubeugen: Exzellenz ist nicht das Werk einzelner Genies. In Wahrheit ist sie fast immer das Ergebnis von Teamarbeit – vom Zusammenspiel unterschiedlicher Talente, Perspektiven und Stärken. Wer Exzellenz fördern will, muss Strukturen schaffen, in denen Ideen kollidieren dürfen, Kritik erwünscht ist und der Anspruch auf Qualität als gemeinsame Motivation verstanden wird – nicht als Druckinstrument.
Exzellenz braucht eine Kultur, die Mut belohnt. In Organisationen, die Fehler sofort sanktionieren, entstehen selten Durchbrüche. Wer führt, muss den Raum öffnen, in dem Risiken vertretbar sind – und in dem man scheitern darf, solange daraus gelernt wird. Psychologische Sicherheit eben.
Natürlich ist Exzellenz unbequem. Sie stört Routinen, stellt Prozesse in Frage, verlangt nach Veränderungen. Aber genau darin liegt ihre Kraft. In Zeiten, in denen Durchschnitt oft genügt, kann Exzellenz der entscheidende Unterschied sein – im Wettbewerb, in der Innovationsfähigkeit, in der Wirkung nach außen. Exzellenz ist kein Ziel, das man erreicht und dann verwaltet. Sie ist eine Haltung, die uns in Bewegung hält. Sie fordert uns, den bestmöglichen Weg zu suchen – unter den gegebenen Bedingungen, mit den verfügbaren (Human)-Ressourcen.
Vielleicht liegt gerade darin ihre eigentliche Schönheit: Exzellenz ist nicht exklusiv. Sie entsteht überall dort, wo Menschen gemeinsam beschließen, es nicht bei „gut genug“ zu belassen. Exzellenz ist ein lebendiger, zeitloser Klang. So zeitlos wie die Musik von Duke Ellington.

























































