Was bedeutet Leadership in unseren Zeiten? Was ist gute Führung? Das weiß New-Work-Experte André Hund. In seiner Kolumne buchstabiert er das Wort „Leader“ durch. Teil vier thematisiert das D – wie Diversität.

André Hund ist Wirtschaftsjurist und kennt die Büromöbelbranche aus dem Effeff. In seiner Kolumne thematisiert der New Work Facilitator bei der work different Training & Consulting GmbH Leadership-Themen vor dem Hintergrund des neuen Arbeitens.
Das Thema Diversität hat oft Leidenschaft und Begeisterung im Gepäck. An manchen Stellen sorgt es aber auch für Augenrollen. Es polarisiert, was zuzugeben nicht jeder und jedem leichtfällt. Und ja, Diskussionen um Themen, die einmal auf der Menükarte des Kulturkampfes landen, sind lästig und ermüdend, wirken oft unproduktiv. Das hängt allerdings mehr mit der Diskussionskultur als mit dem Thema selbst zusammen.
Diversität ist wieder in die Schlagzeilen geraten und hatte schon mal bessere Presse. Besonders deutlich wird dies an zwei der sieben durch die „Charta der Vielfalt“ definierten Diversity-Dimensionen: Die Parität im Allgemeinen und in Unternehmen im Besonderen sowie die Gleichstellung sexueller Minderheiten.
Bei beiden Dimensionen hakt es mit dem Fortschritt. Und nicht nur dort. Nicht überall in gleichem Maße, aber der Trend scheint doch eindeutig. Und das hat natürlich auch – sicher nicht nur – mit US-Präsident Donald Trump und seiner Forderung zu tun, US-Unternehmen sollten ihre Diversitätsprogramme streichen. Wer sich nicht fügt, riskiert Klagen oder anderweitige Sanktionen. Eine Art geistig-moralische Wende? Für diese Diagnose ist es wohl zu früh. Dennoch fügen sich viele Unternehmen erstaunlich schnell und kippen ihre Diversitätsprogramme über Bord.
Vielfalt kommt oft wie – verzeihen Sie mir den Ausdruck – ein bunter Hund daher. Ein Begriff, der in Präsentationen glänzt, in Leitbildern funkelt und auf Karriereseiten gern mit bunten Bildern unterlegt wird. Doch was bedeutet es wirklich, wenn wir sagen: „Wir wollen divers sein oder seien es bereits?“ – oder gar: „Wir leben Diversität“? Vielfalt ist mehr als Geschlecht, Herkunft, Alter oder sexuelle Orientierung. Diese Dimensionen helfen und ordnen ein, sie strukturieren.
Vielfalt ist aber auch: unterschiedliche Denkweisen, unterschiedliche Kommunikationsstile, unterschiedliche Wege, an Probleme heranzugehen, unterschiedliche Sichtweisen auf Erfolg, auf Arbeit, auf Zusammenarbeit.
Wir wissen aus zahlreichen Studien: Diverse Teams sind innovativer, kreativer und treffen oft bessere Entscheidungen. Aber das funktioniert nur, wenn die Vielfalt nicht nur vorhanden ist, sondern auch wirksam werden darf. Und das hängt maßgeblich von der Führung ab.
Aber was heißt das jetzt konkret für Führung in einer diversen (Unternehmens-)Welt? Umzugehen mit Unterschiedlichkeit beispielsweise – produktiv, empathisch und offen. Und das ist schwerer, als es sich schreibt.
Unsere erlernten Führungsbilder basieren häufig auf Klarheit, Eindeutigkeit und Stringenz. Aber Diversität bringt Komplexität, Widersprüche, Mehrdeutigkeit. Das bedeutet: Wer heute führt, muss Ambiguitätstoleranz entwickeln – die Fähigkeit, Spannungen auszuhalten, ohne vorschnell nach einer Vereinfachung zu streben.
Es geht nicht darum, alle gleich zu behandeln, sondern darum, Unterschiede bewusst zu sehen und sinnvoll zu integrieren. Das Bundesverfassungsgericht hat Gleichbehandlung einmal ungefähr folgendermaßen definiert: Sachverhalte sind gemäß ihrer Gleichheit gleich und gemäß ihrer Ungleichheit entsprechend ungleich zu behandeln. Kurz: Bitte nicht alles über einen Kamm scheren. Führung heißt in diesem Kontext: Vielfalt nicht verwalten, sondern ermöglichen. Räume schaffen, in denen Unterschiedlichkeit nicht stört, sondern stärkt.
Und da hilft ein Rüstzeug. Das „L“, mit dem diese Kolumne gestartet ist. Listening respektive Zuhören. Auf allen Ebenen mit der Frage „Welche Stimmen höre ich nicht?“. Nicht nur fachlich führen, sondern auch kulturell. Unterschiedliche Perspektiven ernst nehmen – auch wenn sie unbequem sind. Macht teilen. Nicht jede Entscheidung selbst treffen. Andere auch mal glänzen lassen. Und vor allem: Selbstreflexion.
Gute Führung im Rahmen der Diversität bedeutet deshalb heute nicht, alles zu wissen. Sondern bereit zu sein, immer wieder neu zu lernen. Und offen dafür zu bleiben, dass es andere Wege gibt – vielleicht sogar bessere als die eigenen.