Was bedeutet Leadership in unseren Zeiten? Was ist gute Führung? Das weiß New-Work- Experte André Hund. In seiner Kolumne buchstabiert er das Wort „Leader“ durch. In Teil zwei geht es um E wie Empowerment.

André Hund ist Wirtschaftsjurist und kennt die Büromöbelbranche aus dem Effeff. In seiner Kolumne thematisiert der New Work Facilitator bei der work different Training & Consulting GmbH Leadership-Themen vor dem Hintergrund des neuen Arbeitens.
Empowerment. Das ist auf den ersten Blick ein wuchtiger Begriff. Keiner, der auf leisen, federnden Sohlen die New-Work-Promenade entlang flaniert. Eher einer, der wie Rambo die Tür eintritt. Doch Vorsicht! Der erste Eindruck täuscht.
Die Kraft dieses Begriffs liegt nicht in der Fassade. Ihm geht es nicht um sich, sondern um andere. Sein Ursprung liegt in der politischen Bildung und der Sozialarbeit. Er ist eng mit dem amerikanischen Psychologen Julian Rappaport verbunden. Dieser ist für Empowerment vielleicht das, was Frithjof Bergmann für New Work ist. Empowerment hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine wachsende Bedeutung in der Arbeitswelt erarbeitet.
Im Unternehmenskontext bezeichnet der Begriff die gezielte Stärkung der Mitarbeitenden, indem ihnen mehr Eigenverantwortung und Entscheidungsspielraum eingeräumt wird. Es geht um Möglichkeiten der Mitgestaltung, nicht um einfaches Delegieren von Aufgaben. Eine Kultur der Partizipation und des Vertrauens ist das Ziel. Eine Kultur, die Unternehmen agiler, innovativer und wettbewerbsfähiger macht.
Ein gutes Beispiel für Empowerment ist der erfolgreiche Führungsstil von Jürgen Klopp. Als Fußballtrainer inspirierte er seine Spieler, schenkte ihnen Vertrauen, motivierte sie zu Höchstleistungen.
Vertrauen und Autonomie: Jürgen Klopp gab seinen Spielern klare Anweisungen, ließ ihnen aber auch die Freiheit, innerhalb eines gesteckten Rahmens eigenständig zu agieren. Eine strikte Kontrolle war nicht sein Ding. Und natürlich braucht es im Unternehmenskontext organisatorische Rahmenbedingungen für das eigenverantwortliche Handeln der Belegschaft. Zu diesen Rahmenbedingungen zählen transparente Entscheidungsprozesse, flache Hierarchien und der Zugang zu relevanten Ressourcen.
Emotionale Intelligenz und Nähe: Klopp pflegte eine enge und emotionale Bindung zu seinen Spielern und Mitarbeitenden. Auch heute, als „Global Head of Soccer“, zeigt er echtes Interesse an ihnen als Menschen, nicht nur als Fußballprofis. Eine starke Führungskraft kennt ihre Mitarbeitenden persönlich, kennt und versteht ihre Stärken und Herausforderungen und baut eine Kultur des Vertrauens zu ihnen auf.
Motivation durch Sinn und Leidenschaft: Klopps berühmtes Motto „Vom Zweifler zum Gläubigen“ zeigt, dass und wie er Menschen begeistert. Ihm gelingt es, eine gemeinsame Vision zu entwickeln, die über rein individuelle Interessen hinausgeht. Empowerment wird in Unternehmen gestärkt, wenn Führungskräfte Mitarbeitenden ein klares Warum für ihre Arbeit geben und sie emotional mit der Mission verbinden. Dafür muss man nicht in tiefe Sinndiskussionen abdriften. Mitarbeitende fühlen dann Empowerment, wenn sie ihre eigene Arbeit als sinnvoll erleben, sich kompetent fühlen, autonom handeln können und ihre Wirkung im Unternehmen wahrnehmen.
Fehlerkultur und Lernmentalität: Jürgen Klopp sieht Fehler als Teil des Wachstumsprozesses. Seine Spieler dürfen Risiken eingehen, Fehler machen und daraus lernen – ohne Angst vor Bestrafung. Ein Führungsstil, der „empowert“, ermutigt Mitarbeitende, neue Wege zu gehen und Innovationen auszuprobieren, ohne Angst vor negativen Konsequenzen. Durch Wissenstransfer, Feedback und Wertschätzung entstehen starke Teams, die Herausforderungen gemeinsam meistern. Dabei hilft eine vertrauensvolle Unternehmenskultur. Führungskräfte sollten eine Fehlerkultur fördern, die Experimentieren erlaubt, statt Fehler zu sanktionieren.
Empowerment ist zweifelsohne ein wirkmächtiges Instrument, um Teams und Unternehmen nachhaltig leistungsfähig zu machen. Es ist aber nicht umsonst zu haben. Es verlangt etwas: Vertrauen, Offenheit, Streben nach kontinuierlicher Weiterentwicklung. Das liest sich leichter, als es ist. Es bietet aber auch etwas und zwar sehr viel: Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden echte Mitgestaltungsmöglichkeiten bieten, profitieren langfristig von engagierteren Teams, besseren Innovationen und einer höheren Wettbewerbsfähigkeit. Aber dazu braucht es Mut und das Streben nach kontinuierlicher Weiterentwicklung. Wie Nelson Mandela sagte: „I never lose. I either win or learn.“