Die Raumakustik spielt für die Produktivität am Arbeitsplatz eine wichtige Rolle. Doch sie wird sehr subjektiv empfunden. Kann eine Norm helfen? Diese Frage erörtert der Akustik-Experte Dr. Christian Nocke.
Hin und wieder stellt sich die Frage, ob Raumakustik einer Normung zugänglich ist. Es ist gar zu lesen, dass angeblich neue Normen der Raumakustik kaum noch zu verstehen seien oder auch bei Missachtung von einschlägigen Normen, Richtlinien und Regeln große Zufriedenheit der Menschen in den betreffenden Räumen herrsche. Dazu ist zunächst zu klären, was Normung eigentlich bedeutet, um dies anschließend am Beispiel der Raumakustik in Büros zu beleuchten.
Normung stellt im Idealfall (nach DIN 820) eine durch die interessierten Kreise im Konsens durchgeführte Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen zum Nutzen der Allgemeinheit dar. Ein sehr allgemeiner und sicherlich auch idealisierender Ansatz, der nicht unbedingt bei allen Normungsvorhaben, auch nicht im Bereich der Akustik und des Schallschutzes, direkt erkennbar ist. An konsensueller Normung kann sich generell jeder beteiligen. Wer dies nicht tut, sollte jedoch mit Kritik an ihr zurückhaltend sein.
Eine Herausforderung der Raumakustik liegt darin, dass es hier immer um die subjektive Wahrnehmung von einzelnen Menschen geht. Dies durch Normung zu objektivieren und festzuschreiben, kann in manchen Bereichen gelingen, in anderen Feldern von vornherein zum Scheitern verurteilt sein. Seit 1968 besteht durch DIN 18041 „Hörsamkeit in Räumen“ ein breiter Konsens zu vielen Räumen des alltäglichen Lebens. Räume für Musik, sakrale Räume und viele andere Räume mit speziellen Anforderungen sind hier ausgenommen, da Konsens besteht, dass diese Räume einer Normung nicht oder nur schwer zugänglich sind.
Anders sieht dies bei Schulräumen, Besprechungsräumen, Konferenzräumen, aber auch Kantinen, Restaurants, Foyers, Sport- und Schwimmhallen und weiteren Räumen des Alltags aus. Hier lassen sich gemeinsam und im Konsens objektivierbare Kenngrößen finden, die bei den meisten Menschen auch subjektiv zu einer großen Zufriedenheit in den entsprechenden Räumen führen. Psychoakustische Experimente und allgemeine Erfahrung bestätigen diesen Konsens.
Dies gilt seit mindestens zwei Jahrzehnten auch für die Raumakustik in Büros. Raumakustische Planung der seit mehr als zehn Jahren verwendeten Parameter für Großraumbüros der DIN EN ISO 3382-3 (final erschienen 2012; Entwurf bereits 2009) und entsprechende Softwaretools gehören allerdings in die Hände von Leuten, die über entsprechende Erfahrung und Qualifikationen verfügen. Es ist daran zu erinnern, dass Raumakustik ein Teilgebiet der Physik ist, in der Anwendung ein Objekt der Ingenieurwissenschaft. Somit sind Ingenieure, sind Physiker für raumakustische Themen zu Rate zu ziehen.
Spätestens seit Einführung der ASR A3.7 „Lärm“ hat die Raumakustik auch eine rechtliche Stärkung im Bereich des Arbeitsschutzes erfahren. Die ASR A3.7 konkretisiert die Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung, die wiederum direkt aus dem Arbeitsschutzgesetzt abgeleitet ist. Auch wenn die nun wieder eingeführten Anforderungen an den Beurteilungspegel von 55 dB oder 70 dB kritisch zu hinterfragen sind, enthält die ASR A3.7 klare Vorgaben zur raumakustischen Gestaltung von Arbeitsstätten wie Büros.
Eine Vorgabe zu den Parametern für Großraumbüros nach DIN EN ISO 3382-3 ist in der ASR A3.7 leider nicht enthalten. Die Beschränkung der ASR allein auf die Kenngröße Nachhallzeit ist umso erstaunlicher, als seit geraumer Zeit bekannt ist, dass die Nachhallzeit gerade für Mehrpersonenbüros nicht die entscheidende Kenngröße ist. Die Nichtbeachtung der Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung in der ASR ist bemerkenswert, da dennoch darauf hingewiesen wird: „In der Regel besteht in Büroräumen der Bedarf einer guten Sprachverständlichkeit über geringe Entfernungen, bei der andere, nicht beteiligte Personen nicht gestört werden.“ Hinsichtlich des Lärmminderungsgebots des Arbeitsschutzgesetzes steht in der ASR übrigens auch: „Das Einspielen von Hintergrundrauschen als Maskierer für die Hintergrundsprache soll vermieden werden.“ Damit dürfte das Potenzial der Schallmaskierung gegen null konvergieren.
Raumakustik ist planbar, auch in Büros. Wie bei der thermischen Behaglichkeit wird nie für alle im Raum der ideale Zustand erreicht werden, aber für eine große Mehrheit der Menschen. Daher lohnt es sich, Raumakustik zu planen, auch nach einschlägigen Normen. Denn nur so lassen sich unliebsame Überraschungen vermeiden oder bereits entstandene Probleme lösen.
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