Emotionen scheinen in der Arbeitswelt fehl am Platz. Warum das nicht mehr zeitgemäß ist und welche positiven Effekte sich aus mehr Emotionalität ziehen lassen, beschreibt die Beraterin Amel Lariani.
Mit tränenerstickter Stimme entschuldigte er sich bei mir. Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, als ob er die emotionalen Spuren verbannen wollte. Mit sanfter Stimme erklärte ich ihm, dass er sich niemals für seine Emotionen entschuldigen oder schämen sollte. Für ihn war dieser Moment gleichbedeutend mit Schwäche. Sein Umgang mit Emotionen war mir nicht fremd, im Gegenteil. Leider ist das noch der Alltag in vielen Branchen und vor allem in der Führung.
Rationales Denken regiert
In Unternehmen geht es um betriebswirtschaftliche Kennzahlen, Fakten und sachliche Argumente. Aus der unternehmerischen Historie heraus ist die Gewinnmaximierung das übergeordnete Ziel. Der Mensch wurde objektifiziert, um über Leistung und Effizienz Ziele zu erreichen. Führung in schwierigen Situationen wird aktuell meist über Dominanz gelöst, die sich in Machtdemonstrationen äußern kann. Der radikale Umbruch des Arbeitsmarkts, bedingt durch unterschiedliche Treiber, erfordert die Weiterentwicklung von Unternehmens- und Führungskulturen.
Die doppelte Subjektivierung
Durch das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, Autonomie und sinnhafter Tätigkeit erstarkt das Interesse am Menschen als Subjekt in der Arbeitswelt. Subjektivierung bedeutet zum einen, dass die Ansprüche der Arbeitnehmer an ihre Arbeit gestiegen sind, und zum anderen, dass sich Unternehmen vermehrt mit der Nutzung subjektiver Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter befassen. Kulturwandel bedeutet unter anderem, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen der Einzelne motiviert ist, sich aktiv am Unternehmensergebnis zu beteiligen. Die Unternehmenssteuerung verändert sich immer mehr zu Projektarbeit, Arbeitnehmer werden vermehrt aufgefordert, in Teams zu kooperieren.
Emotionen schaffen Vertrauen
Wenn eine emotionale Verbindung zwischen Kollegen und über Hierarchien hinweg besteht, begünstigt dies eine Vertrauenskultur. Vertrauen schafft in erster Linie Dynamik. Für Menschen, die einander gut kennen und akzeptieren, ist es leichter, gemeinsame Ziele zu erreichen. Das funktioniert nur, wenn Führungskräfte die emotionalen Signale ihrer Mitarbeiter erkennen und auch die eigenen Emotionen in ihre Kommunikation einbeziehen. Das steigert die Glaubwürdigkeit und ist Basis für eine offene Fehler- und Feedbackkultur.
Emotionalität zu fördern, geht über eine menschenorientierte Haltung: Den Sinn der Arbeit im Kontext des Unternehmenserfolges zu vermitteln, die Leistung der Mitarbeiter zu würdigen, Potenziale zu erkennen und zu fördern, informelle Gespräche zu führen und geduldiges Zuhören. Die simple Frage, welche Arbeit Spaß macht, eröffnet die Möglichkeit, Arbeit nach Eignung und Neigung zu verteilen. Spaß kann auch durch Spielen gefördert werden. Spielen wirkt sich positiv auf die Lebensfreude aus, ist eine willkommene Abwechslung und verbindet.
Amel Lariani,
Dozentin, Beraterin, Coach und Inhaberin, Embodyment Guide. |