Gut gemachte Möbel verfügen nicht nur über ein zeitloses Design. Sie zeichnen sich auch durch Langlebigkeit aus. Deshalb müssen sie oft nicht ersetzt, sondern können aufgearbeitet werden. Zum Beispiel vom Sitzmöbelspezialisten Girsberger. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer in Deutschland Henning Schweizer.
OFFICE ROXX: Herr Schweizer, Girsberger ist nun bereits 135 Jahre alt – da scheint der Nachhaltigkeitsgedanke bei Ihnen eine große Rolle zu spielen …
Henning Schweizer: Wir sind ein Unternehmen in Familienhand, bald in fünfter Generation, dessen Aktivitäten in vielen Schritten und mit Bedacht über die Jahrzehnte strategisch weiterentwickelt wurden. Und das soll auch so bleiben. Wichtigste Aspekte unserer Tätigkeit als Hersteller waren und sind eine hohe Qualität unserer Produkte, passende Dienstleistungen und ein ausgewogenes Portfolio innerhalb unserer Kollektionen. Nachhaltigkeit spielte dabei immer eine große Rolle – in Bezug auf die Aspekte der CSR und konkret auch hinsichtlich der Produkte und deren Herstellung.
Was tun Sie heute konkret für die ökologische Nachhaltigkeit?
Als Unternehmen ganz generell sind wir seit 2015 CO2-neutral und seit 2007 EN-ISO-14001-zertifiziert. Über 60 Prozent unseres Strombedarfs decken wir mit unseren Photovoltaikanlagen, in der Schweiz mit Energie aus Wasserkraft. Unsere Zulieferer befinden sich maximal 600 km entfernt von unseren Standorten, sodass sich auch die Lieferkette und die Transportwege mit vertretbarem ökologischem Impact abbilden lassen. Vermeidung von Müll und Recyceln von Materialien und Abfällen zählen ebenso dazu wie eine sortenreine Konstruktion unserer Produkte und in Folge deren Reparierbarkeit.
Seit wann gibt es Ihre Sparte Remanufacturing?
Ein Reparaturservice für unsere Möbel nach Jahren des Gebrauchs war immer eine Selbstverständlichkeit: neue Polsterungen, Bezüge oder etwa die Revision von Mechaniken wurden fällig. So entwickelte sich nach und nach ein höherer Bedarf, erhaltenswertes Mobiliar für eine weitere Nutzungsphase noch einmal aufzuarbeiten. Wir wurden dann immer häufiger angefragt, ob wir auch Fabrikate von anderen Herstellern instand setzten könnten.
Im Jahr 2006 entstand mit Remanufacturing ein eigenständiger Geschäftsbereich. Es besteht eindeutig ein Bedarf an diesem Service, den wir heute herstellerunabhängig anbieten, weil ihn andere Unternehmen aus produktionstechnischen Gründen, wegen fehlender Fachkompetenz im Haus oder auch aus Aspekten der Rentabilität nicht abdecken können oder wollen.
Wie viele Möbel konnten bereits wiederaufbereitet werden?
In Zahlen lässt sich das bereits bearbeitete Volumen kaum ausdrücken – es waren viele Tausende unterschiedlichste Möbel von unterschiedlichster Komplexität.
Wie kann man konkret teilnehmen?
Eine grundsätzliche Voraussetzung ist, dass es sich um Möbel mit einer erhaltenswerten Grundsubstanz handelt und dass eine gewisse Stückzahl angefragt wird, die den Aufwand rechtfertigt. Wichtig ist auch ein konstruktiv sortenreiner Aufbau, der es erlaubt, die Bestandteile auseinander zu nehmen. Zu Beginn steht ein Beratungsgespräch: Der Bedarf wird analysiert und eine Wirtschaftlichkeitsrechnung erstellt. Daraufhin wird ein Mustermöbel überarbeitet und das Angebot kalkuliert. Nach der Auftragserteilung wird das abgenutzte Mobiliar abgeholt und bei uns entsprechend überarbeitet. Am Ende erfolgen Installation und Übergabe.
Aus welchem Grund wird Ihr Service vor allem in Anspruch genommen?
Remanufacturing ist ein interdisziplinärer „Rundumservice“. Zu den ganz typischen Aufgabenstellungen gehören das Abschleifen von Holzgestellen und damit verbunden eine neue Oberflächengestaltung sowie das Erneuern von Polsteraufbauten und Stoff- oder Lederbezügen. Insbesondere Komfort-, Akustik- und Brandschutzeigenschaften können hier optimiert werden. Auch das Auffrischen von Metalloberflächen sowie das Erneuern von Scharnieren oder Mechaniken sind hier aufzuzählen. Die Gründe für die Inanspruchnahme dieser Option sind vielfältig und reichen vom Bewahren und Optimieren der ästhetischen und ergonomischen Qualität über die Einhaltung von Denkmalschutzauflagen bis hin zu klaren Kosteneinsparungen und Nachhaltigkeitsaspekten.
Wer ein explizit ökologisch nachhaltiges Büromöbel kaufen möchte, hat es nicht leicht. Manches ist aus Recyceltem oder recycelbar, manches hat viele Siegel oder ist sehr langlebig. Wonach sollte man gehen?
In unserer Praxis definieren wir Büromöbel als ökologisch nachhaltig, wenn sie vor allem qualitativ hochwertig, langlebig hinsichtlich Designsprache und Qualität sowie recycelbar sind. Der Einsatz von Materialien aus Recyclingstoffen hingegen beschränkt sich auf nicht konstruktive Teile oder Textilien, da diese Materialien ansonsten im Objektbereich nicht den in unseren Märkten erforderlichen Belastungstests standhalten.
Langlebigkeit ist überhaupt das A und O, denn je länger der Produktlebenszyklus eines Möbels ist, desto weniger zieht es erneuten Ressourcenverbrauch durch Neubeschaffungen nach sich. Eine hohe Qualität ermöglicht zudem eine potenzielle Reparierbarkeit. Genau hier beginnt der Ansatz von Remanufacturing.
Auf welche Zertifizierungen setzt Girsberger?
Neben EN ISO 14001 sind wir seit 1995 für das Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001 zertifiziert. Girsberger produziert energieeffizient und geht mit den Rohstoffen sorgfältig um. Und doch entstehen im Produktionsprozess und im Vertrieb CO2-Emissionen, die sich nicht vollständig vermeiden lassen. Um Klima und Umwelt zu schützen, arbeitet Girsberger deshalb mit Fair Recycling zusammen und verfügt daher über ein Klimaschutzzertifikat, das die CO2-Neutralität bestätigt. Weitere Zertifikate, auf die wir setzten, sind TÜV/GS, LGA schadstoffgeprüft und Ökotex.
In Zukunft führt kein Weg mehr an einer echten Kreislaufwirtschaft vorbei. Mit Remanufacturing leisten wir einen wichtigen Beitrag, indem wir dafür sorgen, dass viele alte Möbel nicht durch neue ersetzt werden, sondern mithilfe einer professionellen Aufarbeitung einem neuen Lebenszyklus zugeführt werden.
Vielen Dank.
Die Fragen stellte Robert Nehring.