Die Corona-Pandemie hat unsere Welt verändert. Doch noch ist die Gefahr nicht gebannt – im Moment. Dr. med. Walter Hugentobler, pensionierter Facharzt, hält ergänzend zu den aktuellen Abstands- und Hygienemaßnahmen eine zusätzliche Luftbefeuchtung für geeignet, um die Ausbreitung des Virus zu reduzieren.
Dramatische Wochen sind vergangen, seit die chinesische Gesundheitsbehörde die Weltgesundheitsbehörde darüber informiert hat, dass in der Millionenstadt Wuhan gehäufte Fälle einer Lungenentzündung mit unbekanntem Erreger aufgetreten sind. In kürzester Zeit ist die Anzahl der offiziell bestätigten Krankheits- und Todesfälle stark angestiegen. Die Verbreitung des als neues Coronavirus identifizierten Erregers durch Flugpassagiere führte weltweit zum Nachweis von Erkrankungen. Am 30. Januar 2020 hat die WHO den internationalen Gesundheitsnotstand erklärt.
Grippale Symptome bei einem Teil der Betroffenen
Die bis heute ergriffenen Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus sind beispiellos in der neueren Geschichte der Epidemie- und Pandemiebekämpfung. Ihre Wirkungen und mögliche Nebenwirkungen können aktuell noch nicht abgeschätzt werden.
Das neue Coronavirus, dessen genetischer Code schnell entziffert und offen kommuniziert wurde, ist nahe verwandt mit dem SARS-Virus. Laboratorien weltweit konnten mit diesen Informationen Tests für den Virusnachweis entwickeln. Das Virus soll auf einem offenen Fleischmarkt in Wuhan, auf dem auch lebende Wildtiere angeboten werden, auf Menschen übertragen worden sein und verbreitet sich nun von Mensch zu Mensch weiter. Es verursacht bei einem Teil der Befallenen grippale Symptome wie Husten und Atembeschwerden. Auf Röntgenbildern ist eine nicht behandelbare Lungenentzündung erkennbar, die zum Tod führen kann. Beunruhigend ist die Tatsache, dass im Vergleich der aktuellen Pandemie mit der SARS-Pandemie 2002/2003 sowohl die zeitliche als auch die räumliche Ausbreitung im aktuellen Fall deutlich rascher abläuft.
Klares Muster der Verbreitung der Viren
Die Überlebenszeiten von SARS- und MERS-Coronaviren auf unbelebten Oberflächen und als infektiöse Tröpfchen in der Luft wurden bereits mehrfach und umfassend untersucht. Es zeigte sich wiederholt ein identisches Muster. Sehr tiefe Temperaturen und geringe Luftfeuchtigkeit ermöglichen lange Überlebenszeiten der Viren auf Oberflächen und in der Luft. Auch bei mittleren Temperaturen von 20 bis 30 Grad Celsius war die Überlebenszeit lang – allerdings nur, wenn die Luft trocken war. Sehr hohe Temperaturen (> 30 Grad Celsius) inaktivieren die Coronaviren. Dies ist der Grund, weshalb die wiederholten MERS-Epidemien auf der Arabischen Halbinsel ausschließlich in den kühleren Wintermonaten erfolgten. Es ist zu erwarten, dass auch das aktuelle Coronavirus ein ähnliches Verhalten gegenüber Luftfeuchtigkeit und Temperatur aufweist.
Das Überspringen der Speziesgrenze muss im Freien geschehen, dort wo sich infektiöse Tiere aufhalten und der Mensch mit ihnen in Kontakt kommt. Die Weiterverbreitung des Virus von Mensch zu Mensch erfolgt jedoch dort, wo sich Menschen überwiegend (circa. 90 Prozent ihrer Lebenszeit) aufhalten und ihre Kontakte pflegen, also praktisch ausschließlich in Gebäuden und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dabei muss bedacht werden, dass sich Innenraum- und Außenklima wesentlich unterscheiden, wenn aufgrund tiefer Außentemperaturen in den Gebäuden geheizt wird. Das Resultat sind Komforttemperaturen von 20 bis 24 Grad Celsius, verbunden mit unnatürlich geringer Luftfeuchtigkeit.
Warum in den Wintermonaten die Übertragungssituation in Zentral- und Südchina für Coronaviren ideal ist? Im winterlichen China herrschen in den offenen Markthallen für den Fleischverkauf optimale tiefe Temperaturen für eine Übertragung Tier–Mensch. Für die Übertragungsbedingungen von Mensch zu Mensch sind, wie bereits ausgeführt, die Innenraumbedingungen entscheidend. In Zentral- und in Südchina liegen im Winter die Außentemperaturen in einem Bereich, der das Beheizen der Häuser erfordert. Die Temperaturen liegen somit in den Häusern und öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen 20 und 24 Grad und die Luftfeuchtigkeit in den beheizten Räumlichkeiten bei geringen 20 bis maximal 40 Prozent. Das sind ideale klimatische Bedingungen für ein langes Überleben von SARS-Coronaviren auf Oberflächen und in der Luft und damit auch für die Übertragung durch Kontakte und über die Luft.
Luftfeuchtigkeit in Gebäuden erhöhen
Die Klimasituation im Freien, die das Überspringen der Speziesgrenze ermöglicht, kann vom Menschen nicht beeinflusst werden. Für das Innenraumklima aber ist er verantwortlich. Die entscheidenden Faktoren Temperatur, Feuchtigkeit, Luftwechselrate und Frischluftanteil lassen sich individuell regeln. Da die Komforttemperatur mit 20 bis 24 Grad Celsius vorgegeben ist, muss das Infektionsrisiko in Gebäuden über die Luftfeuchtigkeit und die Lüftung beeinflusst werden. Eine Anhebung der geringen Luftfeuchtigkeit in den Gebäuden durch Befeuchtung auf rund 50 Prozent führt zu einer Reduktion des Übertragungsrisikos. Die Steigerung der Luftwechselrate und ein erhöhter Frischluftanteil bewirken eine zusätzliche Risikoverminderung.
Die Luftbefeuchtung wirkt außerdem proaktiv gegen die Virenausbreitung durch Erkrankte, auch gegen sogenannte „Super Spreader“, noch bevor Symptome auftreten, respektive eine Diagnose gestellt werden kann. Zudem verbessert die befeuchtete Luft die Abwehrsituation der Atemwege bei gesunden Personen, durch effizientere Reinigung der Atemwege und verbesserte Immunabwehr. Die präventive Anhebung der im Winter zu geringen Luftfeuchtigkeit in den Gebäuden ist ein kostengünstiges und wirksames Instrument zur Reduktion des Ausbreitungsrisikos, ohne Nebenwirkungen zu verursachen. Da rund 58 Prozent der SARS-Fälle durch Übertragungen im Krankenhaus aufgetreten sind, ist von der Befeuchtung in den Krankenhäusern ein überproportional großer, positiver Effekt zu erwarten. Luftbefeuchtung kann aber auch in öffentlichen Gebäuden sowie im privaten und beruflichen Umfeld angewendet werden. Die Luftbefeuchtung gibt der Bevölkerung ein einfaches Mittel in die Hand, mit dem das aktuelle Virus aktiv bekämpft werden kann, gegen das es bis jetzt keine Impfung oder spezifisch wirksamen Medikamente gibt.
Dr. med. Walter Hugentobler,
pensionierter Facharzt für Allgemeine und Innere Medizin (FMH). |