Frische Luft und die richtige Luftfeuchtigkeit sind Mangelware in vielen Büros. Doch diese Faktoren beeinflussen maßgeblich das Wohlbefinden der Angestellten. Welchen Einfluss sie genau auf die Gesundheit und Produktivität der Beschäftigten haben, verrät Dr. Stephanie Taylor von der Harvard Medical School im Interview.
PrimaBüroKlima: Frau Dr. Taylor, wie haben Sie herausgefunden, dass die Luftfeuchtigkeit ein entscheidender Faktor bei der Übertragung von Viren ist?
Dr. Stephanie Taylor: Mit dem Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf die Verbreitung von Viren habe ich mich erstmals im Jahr 2013 befasst. Damals untersuchte ich, wie sich Infektionen in neuen Krankenhäusern verbreiten. Dafür kamen verschiedene Faktoren infrage. So entdeckte ich, dass Infektionsrate und Luftfeuchtigkeit in den Patientenzimmern äußerst stark miteinander korrelieren. Zunächst war ich skeptisch, doch durch weitere Forschungen in Pflegeheimen und Schulen ließ sich dieser Zusammenhang letztlich bestätigen.
Büros gelten als Virenschleudern. Warum ist diese Erkenntnis besonders wichtig für das Office-Umfeld?
Büros zählen zu den öffentlichen Orten mit erhöhtem Infektionsrisiko. In Innenräumen ist die Luft oftmals deutlich trockener als im Freien, bedingt durch verschiedene Faktoren: Klimaanlagen, Heizungsluft oder Elektrogeräte wie Drucker oder Computer. Das mindert das Wohlbefinden der Beschäftigten und deren Produktivität. Gleichzeitig steigt das Risiko, sich mit Krankheitserregern anzustecken. Das ist im Büro besonders problematisch. Denn dort halten sich üblicherweise mehrere Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum im selben Raum auf, und sie atmen zwangsläufig die gleiche Luft ein. Fenster lassen sich oft nicht öffnen. Falls doch, wird vor allem in kühleren Jahreszeiten zu selten gelüftet. Zudem gehen viele Beschäftigte trotz eines Infekts zur Arbeit. Sie begegnen ihren Kollegen im Büro sowie auf dem Flur und fassen die gleichen Türklinken an.
Sie haben eine Petition initiiert, die an die WHO gerichtet ist. Was genau fordern Sie?
Die Petition 40to60RH fordert von der WHO eine Mindestgrenze für die Luftfeuchtigkeit in öffentlichen Gebäuden, um Atemwegsinfektionen zu reduzieren. Mehrere Immunbiologen, Mediziner sowie Unternehmen wie Airthings und Condair Systems unterstützen die Petition. Durch die Covid-19-Pandemie wurde vielen erst bewusst, wie wichtig unser Anliegen ist. Die empfohlene Luftfeuchtigkeit beträgt zwischen 40 und 60 Prozent. Zwar gibt es bereits offizielle WHO-Richtlinien zur Raumluftqualität, die betreffen jedoch mehr die Verschmutzung oder den Schimmel. Eine Untergrenze für die Luftfeuchtigkeit ist allerdings noch nicht definiert. Bei einem Mindestwert müssten Baubehörden auf der ganzen Welt ihre Richtlinien aktualisieren und Gebäudeeigentümer sowie -betreiber die geeigneten Maßnahmen zu dessen Einhaltung ergreifen. Denn ein optimales Raumklima fördert das Leben und die Gesundheit von Millionen von Menschen.
Inwiefern verhindert eine mittlere Luftfeuchtigkeit konkret Atemwegsinfektionen?
Bei einer zu niedrigen Luftfeuchtigkeit fallen große Tropfen nicht so schnell auf den Boden, wie sie es normalerweise tun würden. Stattdessen werden sie zu kleineren Tröpfchen, die länger in der Luft schweben und Viren können in diesen über einen längeren Zeitraum überleben. Im Gegensatz dazu nimmt bei einer höheren Luftfeuchtigkeit die Infektiosität von Viren ab. Forscher der Yale Universität haben anhand von Influenzaviren festgestellt, dass das Immunsystem bei einer hohen Luftfeuchtigkeit resistenter ist.
Welche Vorteile hätte die Einführung einer Mindest-Luftfeuchtigkeit am Arbeitsplatz?
Eine Luftfeuchtigkeit von 40 bis 60 Prozent in Büros führt zu mehreren Vorteilen, die nicht nur die Gesundheit der Mitarbeiter, sondern auch die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen betreffen. Manch einer hat vielleicht schon vom „Sick-Building-Syndrom“ gehört: Gebäude können krank machen. Viele Berufstätige verbringen gut ein Drittel ihres Tages am Arbeitsplatz. Ein schlechtes Raumklima wirkt sich negativ auf Produktivität und Wohlbefinden der Belegschaft aus. Luftfeuchtigkeit ist auch eine wichtige Komponente. Trockene Luft kann beispielsweise zu gereizten Augen und trockenen Schleimhäuten führen. Laut einer WorldGBC-Studie zufolge verfügten Arbeitnehmer in Büros mit guter Luft über 27 Prozent weniger Fehlzeiten.
Welche Tipps empfehlen Sie abschließend Mitarbeitern, um die optimale Luftfeuchtigkeit im Büro sicherzustellen?
Zunächst sollten Beschäftigte den Status quo ihrer Raumluftqualität kennen. Dies lässt sich mittels Raumklima-Monitoring ermitteln. Hierbei empfehlen sich smarte Luftqualitätsmonitore, die umfassende Daten zur Raumluft und damit konkret zur Luftfeuchtigkeit, Temperatur oder zum CO2-Gehalt liefern. In kühleren Monaten sind vor allem Luftbefeuchter gegen trockene Heizungsluft hilfreich. Darüber hinaus können Pflanzen dabei helfen, die Luftfeuchtigkeit im Büro zu erhöhen und das Raumklima nachhaltig zu verbessern. Und natürlich sollten Mitarbeiter eine wesentliche Sache nicht vergessen: Lüften – am besten alle zwei Stunden stoßlüften.
Vielen Dank.
Die Fragen stellte Christian Marx.