Bürolärm stört bei der Arbeit, das ist klar. Doch wie stark verringert er tatsächlich die Produktivität? Zahlreiche Studien haben versucht, das herauszufinden. Ein Überblick über einige Ergebnisse.
Im Mittel zwischen 28 und 34 Minuten Arbeitszeitverlust entstehen an einem typischen Arbeitstag durch Lärm in einem Großraumbüro. Das ergab eine Befragung in Finnland, durchgeführt von Helenius und Hongisto und veröffentlicht in Proceedings of Inter-Noise 2004. Individuell wurde der Arbeitszeitverlust allerdings sehr unterschiedlich eingeschätzt, die Schwankungsbreite lag zwischen 0 und über 90 Minuten. Eine Folgestudie ergab einen geschätzten täglichen Arbeitszeitverlust von 21,5 Minuten im Großraumbüro. Eine Studie in der Schweiz ergab, dass sich 68,5 Prozent der Büroarbeiter in Büros mit mehr als 50 Personen durch Gespräche anderer im Raum gestört fühlen. 61,4 Prozent fühlten sich durch Telefonate gestört.
In Einzelbüros ist der geschätzte tägliche Arbeitszeitverlust laut der finnischen Studie signifikant kleiner. Durchschnittlich liegt er bei zwölf Minuten. Die Schweizer Studie zeigt, dass auch die Störung durch Gespräche und Telefonate in Einzelbüros deutlich geringer ist. Nur neun Prozent derer, die in Einzelbüros arbeiten, fühlten sich durch Gespräche anderer im Raum gestört. Immer noch 25,7 Prozent fühlten sich hingegen durch Telefonate gestört.
Vor allem Kollegen lenken ab
Die Schweizer Studie ging der Frage nach, welche Art von akustischen Unterbrechungen während der Büroarbeit besonders häufig auftreten. Auf Platz eins landete das Ansprechen durch Personen (70,3 Prozent der Befragten berichteten von täglichen bis mehrmals täglichen Unterbrechungen). Danach folgten Telefonate anderer, vorbeilaufende Personen und Gespräche anderer im Raum. Auf mehr als zehn Minuten pro Tag summierte sich der tägliche Arbeitszeitverlust durch Ansprechen bei rund 38 Prozent der in der Schweiz Befragten.
Mehrere Untersuchungen (etwa von Banbury und Berry hier und hier veröffentlicht, von Bell und Buchner, von Furnham und Strbac sowie von Schlittmeier und Hellbrück) belegen, dass die Auswirkungen von Bürolärm bei etwas schwierigeren Aufgaben, die das Arbeitsgedächtnis stärker beanspruchen, häufiger auftreten. Bürolärm mit und ohne Sprache beeinflusst vor allem das Merken von Text-, Zahlen- oder Buchstabenreihen negativ. Besonders negative Auswirkungen hat Bürolärm, wenn viele Informationen aufgenommen, gespeichert oder beurteilt werden müssen. Außerdem dann, wenn unter Zeitdruck gearbeitet wird. Das drückt sich in Verschlechterungen bei Entscheidungszeiten, bei der gespeicherten Informationsmenge und bei der Fehlerrate aus.
Darüber hinaus werden auch Aufgaben, für die die eigene Kreativität nötig ist, durch Lärm beeinträchtigt. Teilnehmer einer kanadischen Studie sollten vorhandene Satzanfänge ergänzen und weitere drei bis vier Absätze zum gleichen Thema schreiben. Teilnehmer, die dabei Bürolärm (54 dB(A)) ausgesetzt waren, bewältigten die Aufgabe signifikant schlechter als Teilnehmer, die unter maskiertem Bürolärm (61 dB(A)) oder unter Ruhe arbeiteten.
Sprache ist der problematischste Bürolärm
Vor allem Sprache wirkt sich negativ auf die Leistungsfähigkeit aus. Sprachschalle oder sprachähnliche Schalle führen zu Leistungseinbußen des Arbeitsgedächtnisses. Übrigens kommt es gar nicht darauf an, ob man die störende Sprache tatsächlich versteht. Auch eine unbekannte Fremdsprache hat negative Effekte auf die Leistung – und sogar sprachähnlicher Musikschall.
Bei der Störung durch Sprache kommt es zwar auf den Lautstärkepegel der Sprache an. Eine Pegelreduktion allein führt allerdings zu keiner signifikanten Senkung der Fehlerrate, zeigten Forscher aus Eichstätt und Aachen. Erst wenn die Sprachverständlichkeit reduziert wurde, sank die Fehlerrate signifikant. Das bedeutet, dass primär nicht der Schallpegel, sondern die (potenzielle) Informationshaltigkeit auf das Arbeitsgedächtnis wirkt. Bürolärm kann daher auch bei niedrigen Pegeln – bereits ab 35 dB(A) – leistungsmindernd wirken.
Mit Blick auf die Sprachverständlichkeit haben Forscher aus Finnland herausgefunden, dass sich bei einer niedrigen Sprachverständlichkeit (Sprachverständlichkeitsindex STI zwischen 0 und 0,2) die Leistungsfähigkeit kaum ändert. Nimmt die Sprachverständlichkeit weiter zu, fällt die Leistungsfähigkeit jedoch stark ab. AB einem STI von etwa 0,5 schien die Leistungsfähigkeit ihr Minimum zu erreichen. Diesen Schwellenwert setzt auch die DIN EN ISO 3382-3 an. In einer Nachfolgestudie zeigte sich allerdings, dass ein Schwellenwert schon bei einer niedrigeren Sprachverständlichkeit anzusetzen wäre: bei einem STI von 0,34.
Lesetipp: Wissenswertes rund um die Wirkung von Lärm hat die IBA-Fachschrift Nr. 11 “Schall- und Lärmwirkung. Grundlagen des Hörens, Schallwirkungen und Maßnahmen im Büroumfeld” zusammengefasst.