Die VDI-Richtlinie 2569 „Schallschutz und akustische Gestaltung im Büro“ wurde überarbeitet. Demnächst soll die Neufassung publiziert werden. Der Akustikexperte Dr. Christian Nocke, Inhaber des Akustikbüros Oldenburg und Mitglied der Aktion Quiet please!, hat an der Überarbeitung mitgewirkt. Im Gespräch informiert er über Inhalte und Hintergründe der Änderungen.
Herr Dr. Nocke, die VDI-Richtlinie 2569 wurde überarbeitet. Was regelt sie?
Dr. Christian Nocke: Die Richtlinie VDI 2569 gibt Empfehlungen zum Schallschutz und zur akustischen Gestaltung im Büro. Berücksichtigung findet sowohl die Schallübertragung von außen in Büros hinein, also die Bauakustik, als auch die Hörsamkeit in den Büros, also die Raumakustik.
Die ursprüngliche Version dieser Richtlinie stammt aus dem Jahr 1990. Was ist jetzt neu?
In der Neufassung werden zusätzliche Kenngrößen zur Beschreibung der raumakustischen Situation im Büro aufgegriffen. Künftig wird nicht mehr nur die Bedämpfung oder Halligkeit der Räume betrachtet, sondern es wird auch detailliert die Schallausbreitung zwischen Arbeitsplätzen berücksichtigt. Dafür werden neben der Nachhallzeit die Kenngrößen der ISO 3382, Teil 3 aus dem Jahr 2012 verwendet und erstmals für eine Klassifizierung von Büroräumen gemäß ihrer akustischen Qualität vorgegeben. Diese Kenngrößen beschreiben die Minderung des Schallpegels sowie die Verringerung der Sprachverständlichkeit zwischen den Arbeitsplätzen in einem Mehrpersonenbüro. Darüber hinaus enthält die Richtlinie wichtige Erläuterungen zu den subjektiven Wirkungen von Lärm bzw. Geräuschen im Büro.
Was bedeutet das für die Gestaltung von Büroarbeitsplätzen?
Es sind Gesamtkonzepte für die Räume erforderlich, um nicht nur den einzelnen Arbeitsplatz, sondern die ganze Umgebung zu erfassen und die Wechselwirkungen zwischen den Arbeitsplätzen und dem Raum zu berücksichtigen. Somit ist bei der raumakustischen Gestaltung von Arbeitsplätzen in Büros neben der Ausgestaltung der Räume selbst auch deren Einrichtung von immer größerer Bedeutung. Die Erfordernisse der Raumbedämpfung können durch Materialien an Decke, Boden und Wänden erfüllt werden. Wenn es um Abschirmung und Minderung von Pegel und Sprachverständlichkeit geht, schlägt die Stunde der Möblierung und Einrichtung. Eine Beeinflussung des Direktschalls auf kurzer Distanz zwischen zwei Arbeitsplätzen erfordert effektive Schirmung.
Warum ist die Berücksichtigung der Sprachverständlichkeit so wichtig für die Arbeitsplatzgestaltung?
Die Sprachverständlichkeit hat sich seit mehr als zehn Jahren als eine der Hauptursachen für die Störungen oder auch gegenseitigen Belästigungswirkungen im Büro, gerade bei vielen Personen, herausgestellt. Wenn es um Ablenkung und Störung geht, ist die Lautstärke bzw. die Höhe des Schallpegels nicht die entscheidende Größe. Auch wenn im Bereich des Arbeitsschutzes noch der Pegel als wichtiger Kennwert verwendet wird, trifft er die Situation im Büro nicht. Hier geht es nicht um Schädigungen des Gehörs, also um aurale Effekte. Die Störwirkung erfolgt vielmehr durch die Verstehbarkeit von Sprache. Sprache, die ich nicht hören will, aber verstehen kann, stört mich bei der eigentlichen Arbeit. Die Sprachverständlichkeit ist damit die maßgebliche Wirkgröße, die bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen im Büroumfeld zu beachten ist.
Kann man Sprachverständlichkeit messen?
Die Sprachverständlichkeit kann auf verschiedene Arten bestimmt werden. Bei sehr prestigeträchtigen Räumen werden immer mal wieder Hör- und Sprechtests zur Ermittlung der subjektiven Sprachverständlichkeit durchgeführt. Aus derartigen Untersuchungen abgeleitet worden ist eine objektiv messbare Kenngröße, der sogenannte Sprachübertragungsindex bzw. im Englischen Speech Transmission Index STI. Auf Grundlage des STI-Wertes kann die Sprachverständlichkeit objektiv gemessen und bewertet werden. Im Wesentlichen bestimmt wird die Sprachverständlichkeit durch die Nachhallzeit sowie die Störschallpegel im Raum.
… und lässt sich Sprachverständlichkeit prognostizieren?
Prognostizieren lässt sich heutzutage vieles. Die Frage ist, was macht Sinn und wo ist es eventuell auch ausreichend, mit den klassischen Methoden der Raumakustik zu arbeiten. Mit modernen Rechenprogrammen und entsprechenden Schnittstellen zur Einrichtungsplanung, wie etwa zum pCon.planner, lassen sich die Rechenzeiten und der Bearbeitungsaufwand deutlich senken. Die Raumakustik in kleineren Büros kann auch anhand einer Tabellenkalkulation ausreichend genau geplant werden. Tools wie das Akustik-Plugin helfen dabei, indem schon bestehende Planungen akustisch analysiert und bewertet werden können. Die Grenzen dieser einfachen Verfahren werden dann erreicht, wenn große Räume, komplexe Raumformen oder aber ungünstige Verteilungen der Absorption im Raum ins Spiel kommen. Hier helfen Programme, die eine dreidimensionale Simulation der Schallausbreitung ermöglichen, um Effekte der Positionierung oder der Abschirmung zu erfassen. Kern dieser Betrachtungen sind die Absorptionswerte der Materialien im Raum. Jedes Rechenmodell, egal ob einfach oder komplex, kann nur so gut sein, wie die Daten, die man in das Modell hineingibt. Daher mein Appell an Hersteller und Lieferanten: Sorgen Sie auch bei der Akustik für eine gesicherte Planungsgrundlage. Nur so gelingt gute Raumakustik im Büro.
Vielen Dank.